50 Jahre Rietvögl

2008 - Die Chronik der Rietvögl

Auszug aus der Chronik von 2008 …

Der Verein „de Rietvogel“ wurde 1958 gegründet. Was zunächst als lose Fasnetgesellschaft klein anfing, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer festen Größe in der Villinger Fasnet.

Im Jahre 1957 ging Bernhard Moser, beauftragt von der Katzenmusik, mit einer Schelle durchs Riet und bat die Anwohner, sie mögen doch am Fasnachtssonntag Wäsche über die Strasse hängen. Als Begründung wurde angegeben, dass die Katzenmusik in diesem Jahr ihren Kater zum ersten Mal im Riet suche. Das ließen sich die Rietbewohner nicht zwei Mal sagen. Schnell fand sich eine lose Vereinigung von 5 Rietbewohnern. Festlich geschmückt mit allerlei älteren Wäschestücken zeigte sich die Rietgasse von ihrer besten Seite.

Nachdem das Katzenheer am Sonntag den Kater an der Stadtmauer gefunden hatte, zog es durch das Riet zu ihrem Generalappell. Hermann Hupfer, genannt de „Stumpeschriener“, begleitete die Katzenmusik mit seiner Drehorgel, assistiert von Rietfriseur Otto Armbruster sen., bekannt als „Stampferle“ mit seiner goldenen Stimme.

Die Katzenmusik war begeistert von der Art und Weise, wie sich das Riet präsentierte und mitmachte. Es folgte die Bitte, dies doch im nächsten Jahr zu wiederholen, was auch prompt in die Tat umgesetzt wurde. Der Kater wurde dann 1958 im Gebäude der ehemaligen „Volksküche“ gefunden und mit großem Hallo von der Katzenmusik empfangen. Der damals amtierende Generalfeldmarschall, Hermann Ummenhofer, war sichtlich von dem Engagement der Rietbewohner angetan. Deshalb kam der Gedanke auf, dem Kater das Jahr über den Romäusturm als Domizil zu überlassen und ihn immer am Fasnachtssonntag zu befreien.

Die Macher im Riet gründeten 1958 den noch nicht rechtsfähigen Verein „De Rietvogel“. Wie kam der Verein zu diesem Namen? Im ältesten Stadtviertel Villingens wurden die Bewohner seit jeher „Rietvögel“ genannt. Verantwortlich dafür waren die vielen Dohlen, die in und um den Romäusturm in großer Anzahl nisteten. Nachdem also die Riet-Bürger schon immer den Beinamen „Rietvögel“ mit sich herum trugen, war es naheliegend, den Verein auch so zu benennen.

Gründungsmitglieder waren:
Otto Armbruster sen., Hermann Fleig, Johann Grießhaber, Hermann Hupfer, Irmgard Langenbacher, Bernhard Moser, Hermann Moser, Wilhelm Moser, Paul Schwarzwälder und Erwin Ummenhofer. Johann Grießhaber, genannt „Goldjohann“, wurde zum Bürgermeister „Johannes I.“ ernannt. Dass sich die Rietvögel in einem raschen Tempo zu einem sehr gefestigten Verein entwickelten, war einem glücklichen Umstand zu verdanken. Alle Aktiven kannten sich seit vielen Jahren, wohnten seit Jahrzehnten im Riet und waren schon immer eine verschworene Gemeinschaft.

Damit der Kater Miau auch gepflegt und gut genährt auf die Fasnet gehen konnte, musste natürlich eine Katzenpflegemutter gefunden werden. Dies gelang in der Person von Irmgard Langenbacher, die diese „schwierige“ Aufgabe auch bestens meisterte.
Nachdem sich die närrischen Rietbewohner das Jahr über öfters am Stammtisch im Gasthaus „Ott“ trafen, war der Weg vorgegeben, am Abend des Fasnachtssamstages einen Kappenabend zu veranstalten. Bald begeisterten die ersten witzigen und unterhaltsamen Vorträge die Besucher. In Ernst Storz, dem Gastwirt im „Ott“, hatten die Rietvögel ein gutes Vorbild, was Vorträge und närrische Begebenheiten anbelangte. Auf diese Weise entstand im Jahre 1961 der beliebte „Rietobed“, stets vor vollem Hause. Diese Veranstaltung wurde schnell zu einem Selbstläufer und die Rietvögel feierten den Abend am selben Wochenende wie die Katzenmusik ihren Ball in der Tonhalle.

Auftritte von Bernhard Moser, der sich als Komödiant und Ansager bestätigte, von Ernst Meder, Ernst Storz, Otto Armbruster jun. sowie Hugo Faller zählten zu den humoristische Höhepunkten des Rietobeds. Als Musikus fungierte Erhard Fleig, genannt „Scheme“, mit seinem Akkordeon. Seit 1982 findet diese Veranstaltung im Münsterzentrum statt, weil das Gasthaus „Ott“ inzwischen viel zu klein geworden war. Aber auch die heute zur Verfügung stehenden 400 Plätze reichen oft nicht aus, um allen Interessenten eine Eintrittskarte zu sichern.

Im Jahre 1962 feierte die Katzenmusik ihr 90. Jubiläum. Dazu wollte man etwas Besonderes bieten und entschloss sich, ausschließlich im Riet in Garagen und Erdgeschoßräumen alte Villinger Wirtschaften neu aufleben zu lassen. In der Werkstatt von Hermann Fleig wurde die Wirtschaft „Zum Bad“, die sich in früheren Jahren auch in diesem Haus befand, über die Fasnettage geöffnet. Bei Hermann Hupfer lud der „Wurster Emil“ zum Imbiss und bei Johann Grieshaber war der „Goldene Adler“. In der Garage von Wilhelm Moser gab es das Café zur „Chinesischen Nachtigall“ und bei Karl und Irmgard Langenbacher lud die Bierschenke „Zum Michelturm“ ein.

Seit jenem Jahr fanden die Rietvögel immer irgendwo eine Werkstatt oder einen leer stehenden Raum, um ihre Besenwirtschaft über die höchsten Feiertage einzurichten. Die alte Volksküche am Romäusturm, die Zehntscheuer, das ehemalige Gasthaus „Fässle“, Leiperts Nudelfabrik (heute das Vereinsheim des Alpenvereins), die frühere Schreinerwerkstatt von Hermann Hupfer (der erste „Rietbunker“) und seit vielen Jahren die ehemalige Autowerkstatt Ummenhofer sind als Fasnetdomizile zu nennen. Heute ist der „Rietbunker“ beim Fasnetpublikum sehr beliebt und begehrt.

Seit 1960 nehmen die Rietvögel am Fasnetdienstag am großen Umzug teil. Anfangs noch als Gruppe innerhalb der Katzenmusik, ab 1968 dann als eigenständiger Verein. Seit 1999 beteiligt sich am Schmotzigen Donnerstag auch eine Kindergruppe am Umzug.
Im Lauf der Jahre wurden neue Ideen geboren. So gibt es seit 1968 die Rietwieber-Damenkapelle, die seit 1970 offiziell im Verein den „Takt“ vorgibt“. Seit Gründung bis zum Jahre 1988 war Maria Moser, die Frau des Rietschreibers Wilhelm Moser, Dirigentin. Ingrid Beck mit ihrem Akkordeon gibt bis heute den Ton an. Die Musikerinnen sind bei vielen Veranstaltungen gern gesehene Gäste und sie kommen beim Publikum bestens an. Sie sind aus dem Vereinsleben nicht mehr wegzudenken.

Der beliebte „Internationale Frühschoppen“ am Morgen des Fasnachtsdienstages vereinigt die gesamte Villinger Narrenprominenz zu einem gemütlichen Hock.
Erstmals gab es diesen Frühschoppen im Jahre 1965 im damaligen Gasthaus „Fässle“.

Heute findet er in der Altentagesstätte beim Romäusturm statt. Jahr für Jahr kann der Rietbürgermeister auch internationale Gäste aus den Partnerstädten beim Frühschoppen willkommen heißen.

Natürlich braucht eine „autonome Gemeinde“ wie das Riet an der Fasnet eine eigene Polizei. Die ersten „Rietbollizisten“ waren „Stampferle“ Otto Armbruster und Bernhard Moser, die mit strenger Mine ihr Amt ausübten. Heute ist aus der Rietbollizei eine ganze Kompanie geworden, die viele wichtigen Arbeiten im Verein übernimmt.

 

Günter Moser Rietbürgermeister, verstorben 14. Januar 2007